Es brodelt in Bolivien. Einerseits ist die Empörung darüber gross, dass das Verfassungsgericht vor einigen Tagen entschieden hat, dass Präsident Evo Morales 2019 zur Wiederwahl antreten darf – obwohl dies in einer Volksabstimmung letztes Jahr abgelehnt wurde und die Verfassung es eigentlich verbietet (siehe dazu auch Beitrag vom 21. Feburar). Im ganzen Land gehen Menschen auf die Strasse, um zu protestieren, in den Sozialen Medien kursieren Slogans wie «Ich habe NEIN gesagt – respektier meine Stimme!»
>> Proteste und Polizeigewalt (Video)
Die Wende in Sachen Wiederwahl liess die ohnehin angespannte Stimmung der Regierungsgegner explodieren, die seit Wochen das Vorgehen bei den diesen Sonntag anstehenden Richterwahlen kritisieren. Da die Kandidaten von der Regierung gewählt werden, steht dem Volk kurz gesagt eine Auswahl zur Verfügung, die eigentlich keine Auswahl ist, da alle der gleichen Partei angehören. Die Wahl ist obligatorisch für alle Bürgerinnen und Bürger des Landes – wer nicht hingeht, kann in den nächsten drei Monaten keine Bankgeschäfte tätigen, keine Checks einlösen, keine Überweisungen erledigen etc. Denn dafür wird das Vorweisen der Bestätigung nötig sein, dass man an der Wahl teilgenommen hat. Allerdings steht es denen, die keinen der aufgestellten Kandidaten wählen wollen, frei, den Wahlzettel leer abzugeben. Ganz so einfach wie in der Schweiz ist dies allerdings nicht. Die so genannte «Blanco»-Wahl bedeutet, dass man sich zwar für keinen Kandidaten entscheiden kann, aber einen gültigen Wahlzettel abgibt. Mit der «Nulo»-Wahl dagegen drückt man aus, dass man die Kandidaten, die Partei oder die Wahl insgesamt ablehnt, und ist eine Art Protestakt. Der Unterschied besteht darin, dass alle Blanco-Wahlzettel als gültige Stimmen in die Statistik einfliessen, sodass dann zum Beispiel kommuniziert kann, dass jemand mit 70-prozentiger Wahlbeteiligung gewählt wurde, auch wenn nur 10 Prozent davon wirklich seinen Namen angekreuzt haben. Die Nulo-Wahlzettel dagegen werden als ungültige Stimmen gewertet und drücken daher die Ablehnung des Volkes gegenüber dem ganzen System aus.
Das Problem besteht darin, dass das Durchstreichen des ganzen Wahlzettels bisher «Nulo» bedeutet hat. Nun wurde jedoch entschieden, dass ab dieser Wahl nur als «Nulo» gilt, wenn der Name jedes einzelnen Kandidaten auf dem Wahlzettel einzeln durchgestrichen wird. Ein Durchstreichen des ganzen Wahlzettels mit einem grossen Kreuz dagegen wird als Blanco gezählt. Doch diese Neuerung wurde nicht wirklich kommuniziert, sodass viele, die Nulo wählen wollen, Blanco wählen werden, ohne sich dessen bewusst zu sein. Im Endeffekt hat dies vielleicht keine grosse Auswirkung auf die Wahl, da ja auch mit Blanco keiner der Kandidaten gewählt wird. Doch es geht um den Rückhalt der Regierungspartei in der Bevölkerung – und diese sieht bedeutend stärker aus, wenn mehr Blanco- und weniger Nulo-Stimmen eingehen… So weit die aktuelle Lage in Bolivien.

[…] Möglichkeit seiner erneuten Wiederwahl legalisiert hat (siehe auch Beiträge vom 21. Februar und 30. November 2017). Wenn er weitere Teile der Bevölkerung gegen sich aufbringt, sinken seine Chancen – wobei […]
LikeLike