17 Schwermetalle im Blut

Weil man gar nicht genug darüber reden kann, hier noch ein Interview zu den Auswirkungen der Bergbauaktivitäten des Schweizer Konzerns Glencore in Peru, in gekürzter Form soeben erschienen im Magazin «Horizonte». – Deshalb: Am 29. November unbedingt bitte für die Konzernverantwortungsinitiative abstimmen!!

Die Bergbau-Aktivitäten von Glencore in Espinar richten gravierende Schäden an der Umwelt sowie an der Gesundheit der Menschen an. © Miguel Gutierrez

Bergbaukonzerne wie das Schweizer Unternehmen Glencore richten in Peru gravierende Schäden an. Jaime Borda, Generalsekretär der peruanischen NGO Red Muqui, spricht über die Kriminalisierung der indigenen Gemeinden, die Macht der Konzerne und über seine Reise in die Schweiz, wo er die Machenschaften von Glencore öffentlich angeprangert hat.

Peru ist einer der weltweit grössten Exporteure von Metallen wie Kupfer, Gold, Silber und Zink, und der Bergbau ist einer der wichtigsten Wirtschaftssektoren des Landes: Er stellt 60 Prozent der Gesamtexportsumme und 20 Prozent der Einkommenssteuer. Doch so lukrativ der Bergbau für den Staat auch sein mag – er hat einen sehr hohen Preis: Die Auswirkungen auf die Umwelt und die Bevölkerung vor Ort sind immens (dazu werde ich im nächsten Blogeintrag ausführlich berichten).

Wenn man genauer betrachtet, wohin die Produkte aus dem Bergbau exportiert werden, wird schnell klar, dass der Globale Norden eine grosse Mitverantwortung an den gravierenden Umweltschäden und Menschenrechtsverletzungen trägt. Die Schweiz ist eine der wichtigsten Abnehmerinnen von Metallen aus Peru, nebst China, Japan und den USA. Ausserdem sind die meisten Bergbauunternehmen transnationale Konzerne. Einer der weltweit grössten Metallproduzenten ist Glencore, mit über 150 Standorten in mehr als 50 Ländern und Hauptsitz in Baar (Kanton Zug). Glencore kontrolliert die Hälfte des globalen Kupfermarkts. Drei seiner Bergwerke befinden sich in der Provinz Espinar im südperuanischen Departement Cusco, in nächster Nähe zu 13 indigenen Gemeinden, die bereits seit 35 Jahren unter den Folgen des Bergbaus leiden – inzwischen sind über 40 Prozent des Territoriums von Espinar konzessioniert.

Jaime Borda, Sie waren Augenzeuge verschiedener Ereignisse in Espinar, und wurden zusammen mit mehreren indigenen Leadern festgenommen. Wie kam es dazu?

Im Mai 2012 gab es einen grossen Protest in Espinar, weil die Minengesellschaft – damals der Konzern Xstrata, der 2013 mit Glencore fusioniert hat –, die Abkommen mit den indigenen Gemeinden nicht eingehalten hat und diverse Anzeigen wegen Umweltschäden vorlagen. Es kam zu tätlichen Auseinandersetzungen, und viele der Protestierenden wurden festgenommen. Ich arbeitete damals in der NGO «Menschenrechte ohne Grenzen» und war in dieser Funktion vor Ort. Die Anwälte und ein Staatsanwalt gingen ins Bergwerksgelände, um nach den Festgenommenen zu sehen, während ich mit dem Chauffeur im Auto blieb. Doch nach kurzer Zeit griff uns die Polizei an, zerrte uns heraus, schlug uns und brachte uns aufs Gelände. Ich wurde drei Tage lang festgehalten, danach hat man mich wegen Gefährdung der öffentlichen Sicherheit, Einschränkung von Verkehrswegen, öffentlicher Aufruhr und Terrorismus angeklagt.

Wie war die Situation im Bergwerk-Gelände?

Als erstes haben wir gesehen, dass es eine Polizeiwache gab und sich mindestens 2000 Polizist_innen auf dem Gelände eingerichtet hatten, mit einer kompletten Infrastruktur, die von der Bergbaugesellschaft finanziert wurde. Dies ist in Peru illegal. In diesem Konflikt starben zwei Menschen durch Schüsse eben dieser Polizisten. Als die Proteste heftiger wurden, wurde in der ganzen Region der Ausnahmezustand ausgerufen, so dass die Polizei komplett die Kontrolle komplett übernehmen konnte. In der Folge wurden in Verhandlungsrunden zur Konfliktlösung Abkommen mit dem Staat und der Bergwerkbetreiberin getroffen, die aber teilweise jahrelang nicht umgesetzt wurden. Deshalb haben die Gemeinden bis heute immer wieder protestiert – besonders seit bekannt wurde, dass neben den zwei bestehenden Minen noch eine dritte entstehen soll. Für die Bevölkerung von Espinar bedeutet dies, noch mindestens 50 weitere Jahre mit den Konsequenzen des Bergbaus zu leben.

Welche sind das konkret?

Abgesehen von den Konflikten um ihr Land leiden die Menschen vor allem gesundheitlich. Zwei Studien einer staatlichen Stelle von 2011 und 2013 haben gezeigt, dass mehr als 850 Personen teilweise 17 verschiedene Schwermetalle im Blut aufweisen. Es liegen auch Studien zur hohen Belastung der zwei Flüsse vor, aus denen die indigenen Gemeinden ihr Trinkwasser beziehen und ihre Tiere tränken. Doch der Staat sagt, die Kontamination sei keine Auswirkung des Bergbaus, sondern auf die natürlichen Mineralvorkommen in der Gegend zurückzuführen. Dies ist natürlich eine sehr bequeme Position, mit der die Minengesellschaft geschützt wird, was leider sehr oft passiert.

Inwiefern kann Red Muqui die Situation der indigenen Gemeinden in diesem Kontext verbessern?

Red Muqui setzt sich aus 30 Organisationen in 11 Regionen des Landes zusammen, von denen die meisten indigene Gemeinden unterstützen. In Dialog mit dem Staat oder den Konzernen zu treten, um die Mechanismen von Grund auf zu verändern, ist sehr schwierig, deshalb fokussieren wir darauf, die Zivilgesellschaft zu stärken, damit die Betroffenen ihre Rechte einfordern können. In Espinar werden die Gemeinden unter anderem zu kollektiven Rechten, Umweltrechten und der Überwachung der Wasserwerte weiterbildet. Ein zweiter Hauptpfeiler ist die Medienarbeit, um die Menschen zu sensibilisieren, und zwar auf lokaler, nationaler und internationaler Ebene – wir sind auch in einem Gremium der UNO und in der Interamerikanischen Kommission für Menschenrechte vertreten.

Wenn die Gesetze in Peru die Bevölkerung und die Umwelt nicht schützen können, könnte eine Gesetzgebung in der Schweiz, wie sie die KOVI fordert, die Situation hier vor Ort verbessern?

Glencore und andere Konzerne betonen immer, dass sie die peruanischen Rechte respektieren, und manchmal stimmt das vielleicht sogar. Doch die Gesetzgebung in Peru bevorzugt den Bergbausektor. Ausserdem funktionieren die Kontroll- und Sanktionsmechanismen nicht immer, und Fälle werden verschleppt (mehr dazu). Deshalb halte ich die Konzernverantwortungsinitiative für sehr wichtig und wertvoll.

2017 sind Sie nach Europa gereist, um Glencore offiziell anzuprangern. Wie kam das an?

Glencore gefällt es gar nicht, wenn ihre Machenschaften öffentlich gemacht werden. Deshalb haben wir eine Tour durch Europa gemacht und unseren Schattenbericht präsentiert, welcher die Schäden aufzeigt, die Glencore anrichtet. Wir haben vor der Aktionärsversammlung der Deutschen Bank gesprochen, die Glencore finanziert, und auch in der Generalversammlung von Glencore in der Schweiz. Sie haben uns fünf Minuten Zeit gegeben und danach alle Vorwürfe abgestritten. Doch in punkto Öffentlichkeitsarbeit haben wir einiges erreicht, wir haben Pressekonferenzen veranstaltet und auch einige Parlamentarier/innen für unser Anliegen gewinnen können.

> Schattenbericht über Glencore auf Spanisch und Englisch

Die Proteste gegen den Bergbau werden kriminalisiert. Espinar 2012. © Miguel Gutierrez

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