Im September habe ich darüber berichtet, wie der Menschenrechts- und Umweltverteidiger Oscar Mollohuanca in Peru strafrechtlich verfolgt wird, weil er die Proteste gegen den Schweizer Konzern Glencore in Espinar mitgetragen hat. Die Anklage lautete auf Verkehrsbehinderung und Gefährdung der öffentlichen Sicherheit, denn während der Proteste entstand Sachschaden, unter anderem an den Einrichtungen des Bergbaukonzerns Tintaya. Nun wurden Oscar Mollohuanca und zwei weitere Angeklagte – Vorstehende einer wichtigen zivilgesellschaftlichen Organisation von Espinar – in erster Instanz freigesprochen. Der Richter betonte unter anderem das Recht auf friedlichen Protest. Ausserdem liegen keine Beweise dafür vor, dass die Angeklagten am Delikt der Sachbeschädigung persönlich beteiligt waren.
Die Staatsanwaltschaft und der Untersuchungsausschuss des Innenministeriums werden Einspruch gegen das Urteil einlegen, so dass der Fall an die zweite Instanz weitergegen wird. Für die Staatsanwaltschaft sind diejenigen, die zu Protesten aufrufen, für alles, was während dieser Proteste passiert, persönlich verantwortlich und haftbar. Es spielt also keine Rolle, wer sich konkret der Sachbeschädigung strafbar macht, selbst wenn dafür Beweise vorliegen – zur Rechenschaft gezogen werden immer die Vorstehenden der Organisationen oder Vereinigungen, die zum Protest aufgerufen haben.
Ramiro Llatas, einer der Anwälte von Oscar Mollohuanca, hält es für schwierig, Aussagen über den Ausgang des Prozesses zu machen. «In Peru sind juristische Urteile nur schwer vorhersehbar», sagt er. «Es besteht eine grosse Unsicherheit darüber, was in einigen Monaten in zweiter Instanz entschieden wird. Schliesslich ist dies nicht der erste Fall, in dem zivilgesellschaftliche Leader für Straftaten angeklagt werden, welche andere begangen haben.» Ein anderer aktueller Fall ist der Aymara-Politiker Walter Aduviri, der 2018 zum Regionalgouverneur von Puno gewählt wurde. Aduviri wurde im August 2019 zu sechs Jahren Gefängnis verurteilt, weil er 2011 einer der Anführer der sogenannten Aymarazo-Proteste – die sich ebenfalls gegen ein Bergbauprojekt richteten – war. Die Begründung für das Urteil war ähnlich wie diejenige, die die Staatsanwaltschaft im Fall von Oscar Mollohuanca angab: Auch Walter Aduviri wurde für Delikte bestraft, die während des Ayamarazo stattfanden, er jedoch nicht persönlich begangen hat, wie zum Beispiel das Anzünden des Büros der Zollverwaltung in Puno. «In diesem Fall haben die Richter explizit gesagt, dass es keine Rolle spielt, ob Aduviri an den Straftaten beteiligt oder überhaupt vor Ort war», sagt Ramiro Llatas. «Es liegen uns diverse Augenzeugenberichte vor, die bestätigen, dass es sich bei denjenigen, die den Brand gelegt haben, nicht um echte Protestteilnehmende gehandelt hat, sondern um Eingeschleuste», erklärt Ramiro Llatas.
Auch das ist keine neue Strategie. Bei einem Protest im Jahr 2001 zur Zeit der Diktatur von Alberto Fujimori wurde eine Bank in Lima angezündet, und sechs Menschen starben. Verurteilt wurden auch damals diejenigen, die den Protest organisiert hatten – später kam jedoch aus, dass die paramilitärische Gruppe «Skorpion» für den Brand verantwortlich gewesen war. «Dies dient der Regierung vor allem auch dazu, die Protestierenden zu diskreditieren. In den Medien liest man dann, es handle es sich um Terroristen.» Damit hat die Regierung eine Handhabe gegen unerwünschte Kritiker*innen. Lässt sich nur hoffen, dass sich das Szenario im Falle von Oscar Mollohuanca nicht wiederholt.