(Daten der Filmvorführungen am Ende des Textes)
Am 7. März erreichte mich die Nachricht, dass Oscar Mollohuanca auf einem Hügel in der Nähe seines Hauses tot aufgefunden wurde. Oscar ist einer der Haupt-Protagonisten unseres Dokumentarfilms «Das Blut des Flusses», den wir gestern in Espinar präsentiert haben. Seine Abwesenheit lastete schwer auf allen, besonders weil die Umstände seines Todes bis heute nicht geklärt sind. Als man ihn fand, trug er Spuren von Verletzungen und Schlägen. Die zuständigen Behörden vertreten die These, dass er von einem Stier angegriffen worden sei. Doch die Bevölkerung sowie Journalisten und Anwälte, die die Leiche gesehen haben, haben grosse Zweifel an dieser Version der Geschichte.
Die Zweifel werden auch dadurch genährt, dass die Leiche nach einigen Tagen freigegeben und Oscar beerdigt werden konnte, doch bis heute kein offizielles Resultat der Autopsie bekanntgegeben wurde. Seine Schwester sagte mir gestern, dass die Familie alles daran setzen werde, dass eine unabhängige Untersuchung durchgeführt wird. Doch ob dies im Rahmen des peruanischen Rechtssystems realistisch ist, steht in den Sternen.
Oscar hatte viele Feinde, und man muss leider in Betracht ziehen, dass er Opfer eines Verbrechens wurde. Der ehemalige Bürgermeister von Espinar und Kandidat fürs Amt des Distrikt-Bürgermeisters im Oktober 2022 hat seit Jahrzehnten gegen die Umweltverschmutzung und die Menschenrechts-verletzungen gekämpft, die die verschiedenen Bergbaufirmen zu verantworten haben – aktuell der Schweizer Konzern Glencore (siehe Interview vom 4. September 2020). Auf Grund seiner Teilnahme an Proteten im Jahr 2012 drohten Oscar 21 Jahren Gefängnis und eine Strafe von fünf Millionen Soles (1’280’000 Franken).
Ich habe Oscar, den ich in den letzten Jahren zwei Mal interviewen durfte, als äusserst bescheidenen und ehrlichen Mann kennengelernt, der sein Leben dem Wohl seiner Gemeinde widmete – was bei peruanischen Politiker_innen ein echter Ausnahmefall darstellt. «Glencore hat hier vor Ort immense Umweltschulden, die wir gar nicht in ihrer Gesamtheit aufrechnen können. Wir hoffen, dass diese Schulden eines Tages bezahlt werden», sagte er als Antwort auf die Aussage der Schweizer Justizministerin Karin Keller-Sutter, die im Rahmen der Gegenkampagne zur Konzerninitiative behauptete: «Schweizer Unternehmen leisten einen wichtigen Beitrag zur Entwicklung in Schwellen- und Entwicklugsländern. Sie investieren in dortige Infrastruktur und schaffen Arbeitsplätze, und die überwiegende Mehrheit verhält sich dabei verantwortungsbewusst gegenüber Mensch und Umwelt.»
Die gestrige Filmpremière, die wir mit einer Schweigeminute begannen, war eine Hommage an Oscar. Ich glaube, es spürten alle den gleichen Kloss im Hals, als er von der Leinwand zu uns sprach, in seiner ruhigen, aber eindringlichen Art. Sein Tod löst nicht nur Trauer aus, sondern auch Wut. Einer der Teilnehmer richtete sich an die Bergbau-Vertreter_innen – denn wir müssen davon ausgehen, dass sie anwesend waren – mit den Worten: «Hört ihr uns zu, nehmt ihr uns auf? Ihr bringt uns nicht zum Schweigen, auch wenn ihr noch mehr Stiere freilässt.»
Interview mit Oscar (Filmausschnitt):
Im Mai wird der Film in der Schweiz präsentiert, bisher stehen folgende Daten fest:
1. Mai, 16:00 Uhr – Glaspalast Kasernenarreal, Zürich (im Rahmen des Politprograms zum 1. Mai): Filmausschnitt und Podiumsdiskussion mit Gewerkschaftsvertreter*innen aus Kolumbien und Peru, Stephan Suhner (Multiwatch), Yvonne Zimmermann (Solifonds) und Nicole Maron
20. Mai, 19:00 Uhr – Kirchgemeindehaus Maria Lourdes, Seebacherstrasse 3, Zürich: Filmpräsentation und Debatte mit Nicole Maron. An dieser Veranstaltung wird der Film in voller Länge gezegigt.
24. Mai, 19:00 Uhr – Peterskapelle Luzern: Filmausschnitt und Veranstaltung mit Comundo und der Katholischen Kirche Luzern. Referenten: Stephan Suhner (Multiwatch) und Nicole Maron